Was sind Scope-3-Emissionen?

04.03.2024

Sie liegen wie eine unsichtbare Last auf den Unternehmen: Scope-3-Emissionen, die indirekt in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette stattfinden. Wodurch entstehen sie konkret? Hier Beispiele, wie Sie Ihre Scope-3-Emissionen identifizieren und reduzieren können. 

Damit Unternehmen sich Reduktionsziele setzen können, ist die Analyse der Treibhausgasemissionen ein wichtiger erster Schritt. Während die direkten Emissionen (Scope 1) und die indirekten Energie-Emissionen (Scope 2) relativ gut verstanden sind und häufig im Mittelpunkt von Nachhaltigkeitsbemühungen stehen (lesen Sie auch: Was sind Scope-1- und Scope-2-Emissionen?), bleiben die Scope-3-Emissionen eine herausfordernde, aber entscheidende Komponente einer umfassenden Klimastrategie.  

Scope 3 umfasst alle indirekten Freisetzungen von Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette eines Unternehmens anfallen – also die vor- und nachgelagerten Aktivitäten bis hin zu Produkten und Dienstleistungen, die ein Unternehmen kauft oder verkauft. Aufgrund ihrer Komplexität und ihres oft beträchtlichen Umfangs stellen Scope-3-Emissionen eine große Herausforderung dar. 

Aber: Genau deswegen liegt hier auch die größte Chance für Unternehmen, ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und so einen wirksamen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz zu leisten. 

Scope-3-Emissionen mit Beispielen

Scope-3-Emissionen fallen in der vorgelagerten und nachgelagerten Wertschöpfungskette an. 

  • Vorgelagerte Wertschöpfungskette (Upstream) mit Emissionen, die vor oder während der Produktion stattfinden. Hier entstehen Scope-3-Emissionen beispielsweise durch den Einkauf von Gütern und Dienstleistungen, von Kapital und Standort, von Transporten in der Zulieferkette, aber auch Mitarbeitermobilität bis hin zur Geschäftsreise und durch Abfälle der Produktion. 
  • Nachgelagerte Wertschöpfungskette (Downstream) mit Emissionen, die anfallen, nachdem das Erzeugnis die Produktion verlassen hat. Der Transport und Vertrieb von Produkten, die Weiterverarbeitung von Vorprodukten, Demontage und Entsorgung, Kapitalinvestitionen und Gebäude zählen ebenfalls zu Scope-3-Emissionen. 

Ein extremes Beispiel, das aber vor Augen führt, warum Scope 3 wichtig ist, ist ein Unternehmen wie Shell: Dessen Scopes 1 und 2 machen nach konzerneigenen Angaben global betrachtet rund 5 Prozent der Gesamtemissionen aus. Diese zu reduzieren und zu neutralisieren ist wichtig, aber nicht der größte mögliche Hebel. Der liegt in den 95 Prozent des Klimagas-Outputs, der entsteht, weil Kunden die Energieprodukte von Shell verbrauchen. Nimmt man die Angabe von 1.174 Million Tonnen CO2-Äquivalente von Shell und stellt sie ins Verhältnis von 37,2 Gigatonnen globale Emissionen (Statista), machen allein die Scope-3-Emissionen von Shell mehr als 3 Prozent aller (!) globalen Emissionen aus. Der wahre Impact eines solchen Unternehmens auf das Klima ist also nur über den Blick auf seine Scope-3-Emissionen zu ermessen.

Im Folgenden nennen wir konkrete Beispiele für Scope-3-Emissionen, die Unternehmen beim Klimareporting berücksichtigen sollten, samt grundsätzlich denkbaren Lösungen, welche Ansätze eine Reduktionsstrategie verfolgen könnte. Wir folgen dabei dem Greenhouse Gas Protocol (GHG) als meistgenutztem Standard, mit dem die Klimabilanzen von Unternehmen berechnet werden. 

Scope-3-Emissionen in der vorgelagerten Lieferkette (upstream)

  1. Eingekaufte Waren und Dienstleistungen (Kategorie 1: Purchased Goods and Services): Jedes Unternehmen bezieht verschiedene Güter und Dienstleistungen, deren Gewinnung, Produktion und Bereitstellung indirekt zum Ausstoß von CO2-Äquivalenten führen, die im Scope 3 berechnet werden. Dazu gehören zum Beispiel Werkstoffe und Bauteile, die in einer Produktion verwendet werden, oder auch Büromaterial. Um in der Kategorie “Eingekaufte Waren und Dienstleistungen” den Impact zu reduzieren, können Unternehmen sich zum Beispiel für recycelte Materialien mit einem geringerem CO2-Fußabdruck entscheiden. 
  2. Kapitalgüter (Kategorie 2: Capital Goods): Die Herstellung und die Wartung von Kapitalgütern, wie Maschinen, Produktionsanlagen, Ausrüstung und Gebäuden verursachen indirekte THG-Emissionen. Sie sind ebenfalls dem Scope 3 eines Unternehmens zuzurechnen. Eine nachhaltige Beschaffungsstrategie bei Gebäuden, Maschinen und Fertigungstechnik kann die Werte in Kategorie 2 reduzieren und den negativen Einfluss des Unternehmens auf das Klima mindern. 
  3. Brennstoff- und Energiebezogene Aktivitäten (Kategorie 3: Energy- and Fuel-Related Activities) fallen laut Greenhouse Gas Protocol den Scope-3-Emissionen zu. Es sind zum Beispiel die Verluste in fossil betriebenen Kraftwerken, bevor die erzeugte Energie genutzt werden kann, aber auch die Leitungsverluste in Stromnetzen beispielsweise aufgrund des Widerstands.  
  4. Vorgelagerter Transport und Distribution (Kategorie 4: Upstream Transportation and Distribution): Emissionen, die beim Transport gekaufter Güter entstehen, bevor sie das Unternehmen erreichen, zählen zu den Scope-3-Emissionen. Dies beinhaltet sowohl den Transport von Rohmaterialien zum Hersteller als auch die Lieferung von Halbfabrikaten oder Fertigprodukten an das Unternehmen. Bei globaler Beschaffung und langen Lieferketten kann dies einen großen Impact haben. Effiziente Logistik und die Wahl umweltfreundlicher Transportmethoden (wie Schiene) und Lieferanten kann diese Freisetzungen verringern 
  5. Abfallentsorgung (Kategorie 5: Waste): Feste und flüssige Abfallprodukte, die bei der Produktion oder in Büros anfallen, gehören laut Greenhouse Gas Protocol als Ausstoß zu Scope 3. Denn sie müssen entsorgt, verbrannt, zersetzt oder recycelt werden. Strategien zum Abfallmanagement, zur Abfallminimierung und zum Recycling helfen, die Auswirkungen in dieser Kategorie zu reduzieren. 
  6. Geschäftsreisen (Kategorie 6: Business Travel): Flüge, Hotelübernachtungen und andere Reiseaktivitäten von dienstlich reisenden Mitarbeitenden verursachen einen für Scope 3 relevanten Ausstoß von Klimagasen. Sie gelten als indirekt, weil sie nicht am Produktionsstandort selbst stattfinden. Unternehmen können hier zum Beispiel Anreize schaffen, damit Mitarbeiter weniger Reisen, umweltfreundlichere Reisewege (wie die Bahn) nutzen oder mehr virtuelle Meetings anstelle von echten Reisen durchführen. 
  7. Mitarbeiterpendeln (Kategorie 7: Employee Commuting): Der tägliche Weg der Mitarbeiter:innen zur Arbeit und zurück nach Hause verursacht ebenfalls Scope-3-Emissionen. Denn natürlich haben nicht nur Pkw, sondern auch der ÖPNV einen Klimafußabdruck. Zu einer Reduktionsstrategie kann gehören, Fahrgemeinschaften zu organisieren, den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder klimafreundliche Verkehrsmittel wie Rad oder E-Bike zu unterstützen und auch Homeoffice zu ermöglichen. 
  8. Angemietete/geleaste Sachanlagen (Kategorie 8: Upstream Leased Assets): Anlagen lassen sich auch mieten, aber der mit dem Betrieb verbundene Klimagas-Ausstoß wird dann laut GHG in Scope 3 eingerechnet. Eine Möglichkeit der Senkung ist beispielsweise, sich ausdrücklich für energieeffiziente Sachanlagen zu entscheiden. 

Scope-3-Emissionen in der nachgelagerten Lieferkette (downstream)

  1. Nachgelagerter Transport und Distribution (Kategorie 9: Downstream Transportation and Distribution): Die Auslieferung von Produkten an die Endkunden verursacht Scope-3-Emissionen, egal ob per Luft, zu Wasser, auf der Schiene oder über die Straße. Lieferketten zu optimieren und umweltfreundlichere Transportmittel zu nutzen sind wirksame Maßnahmen, hier den ökologischen Fußabdruck in den Griff zu bekommen. 
  2. Verarbeitung verkaufter Produkte (Kategorie 10: Processing of Sold Products): Auch die Weiterverarbeitung oder Umwandlung verkaufter Produkte durch das fokale Unternehmen am Ende der Wertschöpfungskette wird laut Greenhouse Gas Protocol im Scope 3 aufgeführt. Ein Beispiel dafür ist der Kunststoffgranulat-Hersteller, dessen Produkte anschließend zum Beispiel von einem Automobilzulieferer in eine Türinnenverkleidung umgewandelt wird 
  3. Nutzung verkaufter Produkte (Kategorie 11: Use of Sold Products): Am Ende werden Produkte benutzt – und auch das verursacht Emissionen. Zwei Beispiele: Autos verbrauchen in der Nutzungsphase Benzin, Wäschetrockner verbrauchen Strom – in beiden Fällen gehört das zum Scope 3 der Hersteller. Diese Kategorie hat einen erheblichen Impact auf den unternehmerischen THG-Ausstoß. Reduktionsstrategien setzen hier einerseits bei optimierten Produkten an, andererseits geht es darum, Verbraucher:innen über sparsamere und effizientere Anwendungsmöglichkeiten aufzuklären. 
  4. End-of-Life-Behandlung verkaufter Produkte (Kategorie 12: End-of-Life Treatment of Sold Products): Entsorgung oder Demontage und Recycling von Produkten am Ende ihrer Nutzungszeit verursachen weitere THG-Emissionen nach Scope 3. Unternehmen können durch die Entwicklung leicht recycelbarer Produkte und die Schaffung von Rücknahmesystemen die Freisetzung von klimarelevanten Gasen minimieren, aber auch durch die Wahl nachhaltiger Entsorgungsmethoden und die gezielte Einführung von Kreislauf-Systemen. 
  5. Downstream-Leasing (Kategorie 13: Downstream Leased Assets): Zum Treibhausgas-Ausstoß von Unternehmen nach Scope 3 gehört auch, wenn Sachanlagen an andere Unternehmen verliehen werden. Minimieren lassen sie sich durch die Auswahl von energieeffizienten und langlebigen Produkten und durch hilfreiche oder verpflichtende Hinweise zur energieeffizienten Nutzung der verleasten Assets. 
  6. Franchisenehmer (Kategorie 14: Franchises): Unter diese GHG-Kategorie fallen Lizenznehmer in Franchise-Modellen. Ihre Emissionen fallen unter den Scope 3 des Franchisegebers. Dessen Reduktionsstrategie kann sein, eng mit den Franchisenehmern zu kommunizieren und gemeinsam verbindliche Richtlinien für nachhaltiges Wirtschaften und zukunftsfähigen Klimaschutz zu entwickeln. 
  7. Investitionen (Kategorie 15: Investments): Geld hat einen umfangreichen ökologischen Fußabdruck und einen enormen Impact auf das Klima. Halten Unternehmen beispielsweise Anteile an anderen Unternehmen, investieren in Fonds oder auf andere Weise, zählen die von den Investitionen verursachten Emissionen zum Scope 3 des Investors. Die Berechnung des Klima-Impacts von Investments wurde in den letzten Jahren tatsächlich immer besser: Reduzieren lassen sich die negativen Klimawirkungen hier durch gezieltes Investieren in nachhaltige und klimafreundliche Projekte oder Unternehmen.  

Die Quellen von Scope-3-Emissionen in der Wertschöpfungskette sind deshalb so herausfordernd, weil sie externe Prozesse umfassen, die außerhalb der direkten Kontrolle des Unternehmens liegen. Diese Emissionen machen aber oft den größten Anteil an der Gesamtklimabilanz eines Unternehmens aus und bergen somit viele Ansatzpunkte zur Reduktion und insgesamt ein riesiges Potenzial für Klimaschutzmaßnahmen, das sich kein Unternehmen entgehen lassen darf. 

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