VSME für Nachhaltigkeitsberichterstattung: Warum der Standard plötzlich wichtig wird

21.03.2025

Der Berichts-Standard VSME wurde eigentlich für KMUs entwickelt – und könnte jetzt durch die Omnibus-Initiative für noch mehr Unternehmen wichtiger werden.

Vor allem größere Unternehmen sind von der CSRD zu einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet. Doch auch kleine und mittlere Unternehmen werden von Lieferketten-Geschäftspartnern, Banken und Investoren zunehmend aufgefordert, strukturierte und vergleichbare ESG-Daten zu liefern.

Für typische KMU-Unternehmensgrößen wäre eine CSRD-Berichterstattung auf Basis der ESRS meist zu komplex und umfassend. Hier setzt der Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs (VSME) an: Er bietet KMUs eine einfache und einheitliche Grundlage für eine freiwillige Nachhaltigkeitsberichterstattung, damit auch solche Unternehmensgrößen die Nachhaltigkeitsanforderungen von Geschäftspartnern und Stakeholdern erfüllen können.

Die Omnibus-Initiative erweitert nach heutigem Stand die Zahl der Unternehmen, für die VSME wichtig wird

Mit dem „Omnibus-Vorschlag“ legte die EU-Kommission im Februar 25 einen Entwurf vor, der den Anwendungsbereich der ESRS-Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung sehr wahrscheinlich verändern und die Relevanz der VSME stärken wird:

  • Höhere Schwellwerte für die 2. Welle: Bislang galten Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro als berichtspflichtig. Wird der Omnibus-Entwurf umgesetzt, verringert sich der Kreis von Unternehmen mit Pflichtberichterstattung auf solche mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von über 50 Millionen Euro oder einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro.
  • Verschobene CSRD-Erstveröffentlichung: Bislang war vorgesehen, dass die Erstveröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten von Unternehmen der 2. Welle im Jahr 2026 über das Berichtsjahr 2025 erfolgt. Mit dem Omnibus-Vorschlag könnte sich die Erstveröffentlichung der 2. Welle auf das Jahr 2028 (für das Berichtsjahr 2027) verschieben.

Vor allem wegen der höheren Schwellenwerte würden wahrscheinlich viele Unternehmen aus der Berichtspflicht nach CSRD/ESRS herausfallen – oder zumindest mehr Zeit bekommen, die Regulatorik zu erfüllen. In beiden Fällen könnten sie nun nach dem einfacheren VSME-Standard berichten.

Es stehen Ideen im Raum, wonach die ESRS sich der VSME annähern könnte oder umgekehrt, jeweils um dem Omnibus-Vorschlag gerecht zu werden. So oder so wird der VSME-Standard jetzt zu einem spannenden Thema – aber wo liegt eigentlich der Unterschied zur CSRD?

VSME statt CSRD: vor allem einfacher für KMUs

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet große und börsennotierte Unternehmen zur umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung auf Basis der European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

Kleine und mittelständische Unternehmen waren von dieser Berichtspflicht stets ausgenommen, und mit dem Omnibus-Entwurf steigt die Zahl der Unternehmen, die ebenfalls nicht oder nicht sofort berichtspflichtig werden.

Dennoch steigt auch für KMUs und Unternehmen unter den Omnibus-Schwellenwerten der Druck, Nachhaltigkeitsdaten bereitzustellen. Zum Beispiel, weil große Unternehmen Informationen für ihre eigene CSRD-konforme Berichterstattung benötigen, um Angaben über Ihre Lieferketten richtig und vollständig darstellen zu können.

Der VSME-Standard richtet sich daher an nicht-börsennotierte Kleinstbetriebe sowie kleine und mittlere Unternehmen (im Englischen: Small and medium-sized enterprises, SME). Er ist freiwillig und wurde gezielt so entwickelt, dass er die spezifischen Kapazitäten und Bedürfnisse von KMU berücksichtigt („think small first“).

Der VSME ermöglicht es Unternehmen ohne akute Berichtspflicht, die Anforderungen von Geschäftspartnern zu erfüllen, ohne die Komplexität der CSRD-Standards bewältigen zu müssen. Er wurde von der gleichen European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt, von der auch die ESRS stammen.

Es gibt derzeit keine gesetzliche Verpflichtung, den VSME-Standard zu verwenden – die Vorteile liegen jedoch auf der Hand: einheitliche, strukturierte ESG-Daten für Geschäftspartner und andere Stakeholder. Auch ist aufgeschoben nicht aufgehoben: Die Omnibus-Verschiebung bietet die Möglichkeit, jetzt mit VSME leichter einzusteigen.

VSME-Standard im Detail

Der VSME-Standard basiert auf den ESRS, hat aber einen deutlich geringeren Umfang. Die wichtigsten Unterschiede:

  • Einfachere, modulare Struktur: Die ESRS bestehen aus themenübergreifenden Standards (ESRS 1 + 2) und themenspezifischen Standards für Umwelt (E1-E5), Soziales (S1-S4) und Governance (G1). Der VSME-Standard ist einfacher aufgebaut mit einem Basismodul (B1–B11) und einem optionalen Umfassenden Modul (C1–C9).
  • „If applicable“-Prinzip statt doppelter Wesentlichkeit: Die ESRS verlangen verpflichtend eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Beim VSME-Standard reicht eine Offenlegung nach dem „if applicable“-Prinzip: Unternehmen müssen nur die Angaben machen, die tatsächlich auf ihre Geschäftsrealität zutreffen. Eine DWA ist dennoch zu empfehlen, weil sie deutlichen Mehrwert bietet.
  • Geringere Berichterstattung mit weniger KPIs: Die ESRS erfordern eine umfassende Berichterstattung mit detaillierten quantitativen und qualitativen Datenpunkten. Der VSME-Standard beschränkt sich auf einen massiv reduzierten Umfang mit 10 bis 150 KPIs.
  • Jährliche Erstellung: Wie bei CSRD ist bei VSME der Nachhaltigkeitsbericht jährlich zu erstellen. Die Angabe von Vorjahresdaten ist ab dem zweiten Jahr der Berichterstattung verpflichtend, um die Vergleichbarkeit der Nachhaltigkeitsinformationen zu gewährleisten.
  • Mutter- und Tochtergesellschaften: Die CSRD regelt mit diversen Kriterien, wie hier je nach Struktur vorzugehen ist. Bei dem VSME gilt: Wenn ein Unternehmen eine Muttergesellschaft einer Gruppe ist, wird empfohlen, dass es seinen Nachhaltigkeitsbericht auf konsolidierter Basis erstellt und somit die Informationen seiner Tochterunternehmen einschließt, die dann keinen eigenen Bericht benötigen.
  • Keine Integration in den Finanzbericht: Die ESRS-Berichterstattung ist verpflichtend in den Lagebericht zu integrieren. Der VSME-Standard verlangt hingegen keine Integration in den Finanzbericht.
  • Keine externe Prüfung: Die ESRS-Berichterstattung unterliegt einer Pflicht zur externen Prüfung mit Limited Assurance. Beim VSME-Standard ist eine externe Prüfung nicht erforderlich.

Module des VSME-Standards

Der VSME besteht aus zwei Modulen, die Unternehmen kombinieren können:

  • VSME-Basismodul (Basic Module):
    Das Basismodul enthält die Mindestanforderungen für die Berichterstattung und richtet sich besonders an kleine und Kleinst-Unternehmen. Es umfasst elf Themenbereiche mit ca. 50 Datenpunkten zu ESG-Themen. Er eignet sich eigentlich nur für Unternehmen, die in einer minimalen Variante die grundlegenden Daten zu Nachhaltigkeit offenlegen wollen.
  • VSME-Zusatzmodul (Comprehensive Module):
    Das „umfassende Modul“ richtet sich an kleine bis mittelgroße Unternehmen und ergänzt das VSME-Basismodul um neun zusätzliche Themenbereiche mit etwa 100 Datenpunkten. Dabei geht es um Strategien und Geschäftsmodelle, Umwelt und Klima, Menschenrechte und Sorgfaltspflichten, Governance- und finanzielle Transparenz. Es bietet weniger Transparenz als die ESRS, aber deutlich mehr als das Basismodul und eignet sich damit auch für Unternehmen, die umfassender berichten wollen oder die Investoren und Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette als Stakeholder ansprechen und informieren wollen.

Die Unterschiede liegen in vielen Details. Zum Beispiel fragt das Basismodul verschiedene Umweltkennzahlen ab, aber nur das umfassende Modul sieht eine Offenlegung der Ziele von Emissionsreduktion und Klimatransition sowie eine Analyse von Klimarisiken vor.

Durch die modulare Struktur bleibt der VSME flexibel, sodass Unternehmen selbst entscheiden können, welche Offenlegungen für ihre Geschäftstätigkeit sinnvoll sind. Die Formulierungen des VSME-Standards wurden außerdem gezielt vereinfacht, um die Verständlichkeit zu erhöhen und die Einstiegshürde zu senken.

 

Ob CSRD-Berichtspflicht oder VSME: Wir begleiten Sie gerne entlang des gesamten Prozesses und helfen dabei eine solide Basis für die weitere Ausarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie zu schaffen. Kontaktieren Sie uns!

Mit oder ohne doppelte Wesentlichkeit?

Der VSME wurde im Dezember 2024 finalisiert und schaffte bei der Gelegenheit auch die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ab. Der Vorteil: Reduzierter Aufwand für die KMUs und schnellere Umsetzung.

Dennoch sehen das viele Expert:innen kritisch, denn gerade die doppelte Materialität hält zahlreiche Erkenntnisse parat. Die Nachteile einer fehlenden DWA:

  • Weil die doppelte Wesentlichkeitsanalyse vor allem hilft, die wirklich relevanten Themen zu identifizieren, behandelt eine VSME ohne DWA mit einiger Wahrscheinlichkeit auch irrelevante Themen oder wichtige Bereiche unvollständig.
  • Mangels identifizierter relevanter Themen fällt es schwerer, eine sinnvolle, wirklich zur Geschäftstätigkeit passende Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln.
  • Ressourcen gehen verloren, weil sie auf Unwesentliches verwendet werden.

Allerdings hindert die VSME ja niemanden daran, eine (vereinfachte) doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchzuführen, was wir an dieser Stelle prinzipiell empfehlen, aber eher fallweise zu entscheiden ist.

Ein konkretes Beispiel finden Sie hier:

VSME: Lohnt sich der Aufwand?

Bei CSRD nach ESRS stellt sich die Frage nach dem Lohn der Mühen zunächst scheinbar nicht, auch wenn Unternehmen zahlreiche Vorteile daraus schöpfen können – siehe beispielsweise CSRD als Chance für die Nachhaltigkeitskommunikation.

Die VSME sind wesentlich weniger aufwändig – bei ganz ähnlichen Vorteilen: KMUs und Unternehmen unter den Omnibus-Schwellenwerten können durch die strukturierte Auseinandersetzung mit ihren ESG-Themen ihre Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz stärken, Anforderungen großer Unternehmen in der Lieferkette erfüllen und relevante ESG-Daten für Banken und Investoren bereitzustellen.

Laut einer von EFRAG durchgeführten Kosten-Nutzen-Analyse (PDF) verursacht die Einführung des VSME im ersten Jahr zwar Implementierungskosten – diese werden jedoch in wenigen Jahren durch die langfristigen Einsparungen und Vorteile ausgeglichen.

Nachhaltigkeitsberichterstattung sind eine Chance für KMUs…

Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung bringt Unternehmen diverse Vorteile:

  • Klare Leitlinie für die Nachhaltigkeitsstrategie: Aus der Berichterstattung – in Verbindung mit einer Doppelten Wesentlichkeitsanalyse – ergeben sich die wichtigsten Handlungsfelder und damit auch die Leitlinie für eine Nachhaltigkeitsstrategie, die aus dem Unternehmenskern und der Marke heraus entsteht.
  • Befriedigung von Stakeholder-Anforderungen: Die Berichterstattung schafft Transparenz und stärkt das Vertrauen von Kund:innen, Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit. Dies stärkt die Positionierung im Markt, da erstens größere Unternehmen zunehmend Nachhaltigkeitsberichte von ihren Zulieferern verlangen (oft ihrerseits getrieben durch eigene CSRD-Anforderungen) und zweitens beispielsweise öffentliche Fördermittel zunehmend eine strukturierte Nachhaltigkeitsberichterstattung einfordern.
  • Sensibilisierung und Verantwortung: Eine Berichterstattung macht Nachhaltigkeit im Unternehmen greifbar und fördert das Bewusstsein für soziale und ökologische Auswirkungen der Geschäftstätigkeit. Durch die freiwillige Offenlegung ihrer Nachhaltigkeitsleistung übernehmen Unternehmen aktiv Verantwortung und setzen ein klares Zeichen für nachhaltiges Handeln.
  • Vorbildfunktion und Image: Unternehmen, die über ihre Nachhaltigkeitsleistung berichten, inspirieren andere KMU, es ihnen gleichzutun und nachhaltiger zu handeln. Eine substanziell unterlegte Nachhaltigkeitskommunikation kann helfen, bestimmte Kundengruppen und Mitarbeiter zu halten oder neu zu gewinnen.

… und der VSME macht dies den KMUs sehr einfach

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen unterhalb der Berichtspflichtschwellenwerte stellt der VSME-Standard eine attraktive Lösung dar, weil er die Komplexität der Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich reduziert.

Die Vorteile des VSME-Standards für KMU:

  • Niedrigschwelliger Einstieg: Der VSME-Standard erleichtert KMU den Zugang zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, indem er die Anforderungen vereinfacht und praxisnah gestaltet.
  • Strukturierte und praxisnahe Berichterstattung: Die klare und modulare Struktur der VSME-Standards hilft Unternehmen, ihre relevanten Themen mit vertretbarem Aufwand gezielt zu erfassen und effizient zu berichten.
  • Reduzierter Aufwand und hohe Flexibilität: Die Berichterstattung erfolgt mit weniger KPIs und weniger Detailanforderungen, sodass der Zeit- und Ressourcenaufwand überschaubar bleibt. Zugleich folgen Sie damit aber doch einem Standard, mit dem Sie ohne Doppelarbeit Stakeholder-Anfragen beantworten können.
  • Hohe Flexibilität: Mit dem „If applicable“-Prinzip können Unternehmen flexibel entscheiden, welche Themen für sie relevant sind. Allerdings sei dennoch eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse empfohlen, weil diese eben nicht nur die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit untersucht, sondern auch die Risiken für das Unternehmen (Risikoanalyse) und wie resilient das Unternehmen gegen diese Risiken aufgestellt ist (Resilienzanalyse). Auch kann sie Stakeholder-Beziehungen und Ressourcenmanagement erheblich verbessern.
  • Vereinfachte Sprache: Die Vorgaben sind verständlich und klar formuliert – auch ohne umfassendes Fachwissen lässt sich die Berichterstattung leicht umsetzen.
  • Kein Zeitdruck: Der VSME-Standard gibt keine festen Fristen vor, sodass Unternehmen die Berichterstattung an ihre internen Abläufe anpassen können.
  • Grundlage für mögliche spätere Berichtspflicht: Der VSME-Standard ist eine gute erste Grundlage, mit der Unternehmen sich auch für den Fall aufstellen können, dass sie eben doch berichtspflichtig werden. Es fällt ihnen dann erheblich leichter, regulatorische Anforderungen zu erfüllen.

Es lohnt sich, die Möglichkeiten des VSME zu prüfen, mit der Berichterstattung im Basismodul zu starten und mit einer reduzierten DWA mehr Einsichten in Unternehmensfelder mit Handlungspotential zu gewinnen.

Ein strukturierter ESG-Bericht wird nicht nur die Erwartungen ihrer Geschäftspartner erfüllen, sondern auch ihre interne Steuerung von Nachhaltigkeitsthemen verbessern. Lassen Sie sich von SAIM beraten – kontaktieren Sie uns einfach!

 

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