Doppelte Wesentlichkeitsanalyse für CSRD/ESRS: die Grundlage Ihrer Nachhaltigkeit
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist spätestens seit 2024 zu einem unverzichtbaren Werkzeug für viele Unternehmen geworden, um den strengen Vorgaben der CSRD-Berichtspflicht mit ESRS gerecht zu werden. Erfahren Sie, was die doppelte Wesentlichkeit bedeutet und wie Sie diese umsetzen.
Die „doppelte Wesentlichkeitsanalyse“ oder „doppelte Materialität“ ist ein zentrales Element des Nachhaltigkeitsberichts nach der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) und den Richtlinien des ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Sie zeigt die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft (externe Dimension) und die finanziellen Folgen von Umwelt- und Gesellschaftsthemen auf das Unternehmen (interne Dimension).
Doppelte Wesentlichkeit mit IRO: Inside-out und Outside-In
Bislang konnten Nachhaltigkeitsberichte eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen – mussten es aber nicht zwangsläufig. Mit der CSRD wird sie zur Pflicht und gegenüber früheren Standards führt sie ein neues, duales Konzept ein: die „doppelte Wesentlichkeit“ oder „doppelte Materialität“ („Double Materiality“).
Diese Betrachtung aus zwei Perspektiven soll sicherstellen, dass sowohl finanzielle Risiken (Outside-In) als auch gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen (Inside-Out) angemessen berücksichtigt werden. Im Mittelpunkt der Analyse stehen dabei die sogenannten Impacts, Risks and Opportunities, kurz: IROs. Jedes einzelne IRO muss entsprechend klar definierter Kriterien bewertet und dokumentiert werden.
Inside-Out-Perspektive (Impact Materiality)
Bei diesem Teil der doppelten Wesentlichkeit geht es darum, wie die Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens die Umwelt und Gesellschaft beeinflussen. Unternehmen müssen sowohl positive als auch negative Auswirkungen identifizieren und bewerten.
Beispiele für Bereiche der Inside-Out-Perspektive:
- Klima: Unternehmen beeinflussen durch ihre Geschäftstätigkeit das Klima. Beispiele sind CO₂-Emissionen in den Scopes 1 und 2 und in Scope 3, etwa in der Produktion oder Logistik. Diese Emissionen verstärken globale Klimaveränderungen und treiben extreme Wetterereignisse und gehören deswegen in die Inside-Out-Betrachtung. Unternehmen sollten ihre Emissionen gründlich analysieren, und die größten Treiber nach Scope und Kategorie identifizieren.
- Biodiversität: Unternehmen müssen ihre Auswirkungen auf die Biodiversität aktiv bewerten. Beispiele sind Ressourcenverbrauch, Landnutzungspraktiken und Schadstoffemissionen, weil sie alle Lebensräume gefährden. Landwirtschaftsbetriebe können andererseits mit Programmen zur Förderung der Artenvielfalt in ihren Anbaugebieten aktiv zur Erhaltung der Biodiversität beitragen.
- Umweltverschmutzung: Fertigungsunternehmen setzen oft erhebliche Mengen Schadstoffe in die Luft und Gewässer frei, was die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung belastet. Wird proaktiv in saubere Technologien investiert und werden strenge Umweltmanagementsysteme implementiert, können Unternehmen ihre Umweltauswirkungen minimieren.
- Soziale Auswirkungen: Global agierende Unternehmen beeinflussen durch ihre Einkaufsentscheidungen die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben. Unternehmen sollten aktiv auf faire Arbeitsbedingungen achten und durch gezielte Zusammenarbeit mit Lieferanten sowohl positive soziale Effekte fördern als auch negative Auswirkungen vermeiden.
Die anzuwendenden Kriterien für die Bewertung von positiven und negativen Auswirkungen sind:
- Umfang
- Ausmaß
- Unabänderlichkeit
- Eintrittswahrscheinlichkeit (bei potenziellen Auswirkungen)
- Zeithorizont (wann die Auswirkung eintritt)
- Einordnung in der Wertschöpfungskette
Outside-In-Perspektive (Financial Materiality)
Diese Perspektive der doppelten Wesentlichkeitsanalyse bezieht sich auf die finanziellen Risiken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitsthemen für das Unternehmen ergeben. Es wird analysiert, wie externe Faktoren wie Klimawandel oder soziale Veränderungen die finanzielle Leistung des Unternehmens beeinflussen können.
Beispiele für Bereiche der Outside-In-Perspektive:
- Rohstoffknappheit: Wasserknappheit und Phosphorbezug in der Landwirtschaft betreffen Landwirte ebenso wie die Lebensmittelindustrie oder Betriebe, die Bio-Rohstoffe anderweitig nutzen. Seltene Erden, Kobalt, Lithium, aber auch Papier, Holz und Zellstoff sind zwar nicht per se knapp, aber häufig nur begrenzt verfügbar. Preisliche Schwankungen, geopolitische Unsicherheiten und naturgegebene Engpässe können Kosten treiben und die finanzielle Performance des Unternehmens belasten.
- Versicherungs- und Schadensrisiken: Unternehmen in wetteranfälligen Regionen, etwa bei Überschwemmungen oder Stürmen, könnten mit stark steigenden Versicherungskosten und direkten Schäden an Infrastruktur und Produktion konfrontiert werden.
- Energiepreissteigerungen: Dass Energiepreise die Wirtschaft belasten, ist eine Binsenweisheit, die sich im Zuge der Energiekrise einmal mehr bestätigt hat. Auch solche Risiken gehören in die Outside-In-Perspektive, weil sie Mehrkosten erzeugen und die Wettbewerbsfähigkeit und das Ergebnis belasten können.
- Übergangsrisiken bei der Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft: Unternehmen in CO₂-intensiven Sektoren könnten im Zuge der Dekarbonisierung auf erhebliche Herausforderungen stoßen. Dazu gehören Kosten für neue Techniken, Veränderungen in der Produktnachfrage und mögliche Reputationsverluste. Eine proaktive Anpassung an diese Veränderungen ist entscheidend, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
- Regulatorische Risiken: Automobilhersteller könnten durch neue, strengere Emissionsvorschriften gezwungen werden, teuer in emissionsarme Techniken zu investieren. Solche regulatorischen Änderungen können massive finanzielle Belastungen verursachen und gehören in die Outside-In-Perspektive, um darauf reagieren zu können.
Die anzuwendenden Kriterien für die Bewertung von finanziellen Risiken und Chancen sind:
- Umfang
- Eintrittswahrscheinlichkeit (bei potenziellen Risiken und Chancen)
- Zeithorizont (wie lange sich die finanziellen Risiken und Chancen auswirken)
- Einordnung in der Wertschöpfungskette
Doppelte Wesentlichkeit in fünf Schritten erfassen
Die Wesentlichkeitsanalyse ist ein umfangreicher Bestandteil der Erstellung Ihres Nachhaltigkeitsberichts nach CSRD/ESRS, und alle Details der Durchführung zu nennen würden den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Prinzipiell läuft das Ganze aber so ab:
1.
Vorbereitung und Ressourcen: Stellen Sie sicher, dass die nötigen Ressourcen bereitgestellt werden und die Unternehmensleitung eingebunden ist. Dies schafft die Grundlage für einen erfolgreichen Analyseprozess.
Erstellung der individuellen Longlist: Identifizieren Sie relevante Nachhaltigkeitsaspekte, sogenannte unternehmensspezifische Themen, durch Abgleich mit ESRS-Standards, branchenspezifischen Normen und Nachhaltigkeitsratings. Berücksichtigen Sie dabei die gesamte Wertschöpfungskette.
Stakeholderanalyse: Führen Sie eine Bewertung der einzubindenden internen und externen Stakeholder hinsichtlich der Anforderungen und Erwartungshaltung an Ihr Unternehmen durch. Entscheiden Sie im Anschluss, welche Stakeholder entsprechend ihrer Expertise zu welchen Themenbereichen in der Bewertung miteinbezogen werden sollen.
2.
Durchführung der Bewertung: Lassen sie alle potenziellen Themen entsprechend der vorgeschriebenen Kriterien von Expert:innen aus Wissenschaft, Medien, Gewerkschaften, Verbänden, Kunden und Lieferanten (um nur eine kleine Auswahl zu nennen) bewerten. Nutzen Sie Workshops, Online-Umfragen und Interviews. Die Einbindung von Stakeholder:innenn hilft dabei, ein umfassendes Bild der wesentlichen Themen zu erhalten. Sollten sie bereits ein bestehendes Risikomanagementsystem haben, vergleichen Sie bestehende Risiken mit den Anforderungen der CSRD.
3.
Analyse der Themen: Analysieren Sie die Bewertung hinsichtlich der Relevanz des Inputs und vergeben Sie ein quantitatives Scoring. Die Priorisierung stellt sicher, dass die wichtigsten Themen im Fokus stehen.
4.
Festlegung der Wesentlichkeitsschwelle: Definieren Sie einen Schwellenwert für die Berichterstattung. Alle relevanten Themen, die diese Schwelle überschreiten, müssen ausführlich im Bericht behandelt werden. Beziehen Sie unbedingt das Management in die Verabschiedung der wesentlichen Themen ein
5.
Review und kontinuierliche Aktualisierung: Berichten Sie transparent über die Methodik der Wesentlichkeitsanalyse und die Ergebnisse. Die CSRD gibt zudem vor, regelmäßig die Liste der IROs zu überprüfen, um die Relevanz und Aussagekraft der Berichterstattung zu gewährleisten.
Wir begleiten Sie gerne entlang des gesamten Prozesses und helfen dabei eine solide Basis für die weitere Ausarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie und Erfüllungen der CSRD-Berichtspflicht zu schaffen. Kontaktieren Sie uns!
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse nicht nur als Pflicht sehen – sondern als unternehmerisches Werkzeug
Auf den ersten Blick ist die doppelte Wesentlichkeit ein weiterer Bestandteil einer aufwändigen und manchen auch lästig erscheinenden Pflicht, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen.
Aktuell sind viele Unternehmen vor allem an der Erfüllung der Berichtspflichten interessiert. Sie stecken teils bis zum Hals in der Arbeit, Datenquellen zu erschließen, Daten zu erfassen und in einen jeweils sinnvollen Kontext zu bringen. SAIM kann ihnen gerne. abei helfen – nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
Doch die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bietet Unternehmen auch zusätzliche Chancen:
Nachhaltigkeit verstehen:
Mit Hilfe der doppelten Wesentlichkeit erhalten Unternehmen ein umfassenderes, ganzheitlicheres Bild ihrer eigenen Nachhaltigkeitsleistung sowie wertvolle Anhaltspunkte zur Gestaltung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie.
Risiken erkennen:
Dank Wesentlichkeitsanalyse lassen sich potenzielle Risiken frühzeitig erkennen und zeitnah Gegenmaßnahmen ergreifen. Das hilft einerseits, negative finanzielle Auswirkungen zu vermeiden und bietet andererseits die Chance, alternative Wege zu entdecken oder Innovationen zu fördern.
Strategischer entscheiden:
Die doppelte Wesentlichkeit zwingt Unternehmen, ihr Sourcing und die Auswirkungen möglicher Ressourcenprobleme besser zu analysieren. Das hat nicht nur einen Nachhaltigkeitsimpact, sondern hilft meist auch langfristig, effizienter zu arbeiten.
Stakeholder:innen integrieren:
Mit Hilfe von Stakeholder:innenn wesentliche Themen zu identifizieren, hilft, später die für sie relevanten Themen faktenbasiert zu kommunizieren. Das zahlt auf die Reputation des Unternehmens ein, und es lassen sich im Zuge der Kommunikation Wissen, Kompetenzen und Best Practices austauschen.
Nachhaltigkeitskommunikation stärken:
Die Wesentlichkeitsanalyse führt früher oder später zu konkreten Maßnahmen und damit zu messbaren, überprüfbaren Verbesserungen. Diese können die Grundlage bilden für eine risikolose Nachhaltigkeitskommunikation, die dem Wettbewerb voraus ist.
In allen diesen Punkten steckt stets auch ein Mehrwert. Die Kommunikation kann beispielsweise davon profitieren, dass man Leuchtturmprojekte und Fokusbereiche der Nachhaltigkeit identifiziert oder das Unternehmen nach der Entwicklung eines Klimaschutzplans konkrete, belegbare Aussagen zum Klimaschutz machen kann – analoges gilt natürlich für alle anderen Bereiche. Die Expert:innen von SAIM helfen Ihnen hier ebenso gerne.
Das CSRD-Reporting ist der erste, wichtige Schritt. Die Ergebnisse der doppelten Wesentlichkeitsanalyse bieten Unternehmen im zweiten Schritt wertvolle Einblicke in ihre Nachhaltigkeitsleistung, datenbasierte Ideen für diverse Optimierungen und am Ende des Tages auch Material für eine nachhaltige Unternehmenskommunikation, die sich nicht vor Regelungen wie der Green-Claims-Richtlinie fürchten muss.
Jetzt mit der doppelten Wesentlichkeitsanalyse starten
Um die Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD erfüllen zu können, führt kein Weg um die doppelte Wesentlichkeitsanalyse herum. Unternehmen, die sie ernsthaft umsetzen, stärken ihre Position, sichern sich das Vertrauen ihrer Stakeholder:innen und gestalten ihre eigene Zukunftsfähigkeit.
Aber: Jene Unternehmen, die 2024 schon von der CSRD betroffen sind, merken in vielen Fällen gerade, dass die Berichtspflicht inhaltlich und zeitlich herausfordernder ist als oft angenommen. Je früher Unternehmen sich mit der CSRD auseinandersetzen und die doppelte Wesentlichkeit erfassen (auch dann, wenn sie erst 2025 oder 2026 berichtspflichtig werden), desto besser lässt sich herausarbeiten, auf welche relevanten Bereiche man die begrenzten Ressourcen fokussieren kann und welcher zusätzliche Mehrwert sich aus der aufwändigen Arbeit abschöpfen lässt.
Lassen Sie sich von SAIM beraten: Wir begleiten Sie durch die gesamte CSRD oder durch Teile davon. Wir helfen Ihnen bei der Entwicklung und Durchführung der Stakeholder:innenbefragung und der Konzeption und Erstellung einer doppelten Wesentlichkeitsanalyse, die Ihrem Unternehmen einen echten Mehrwert bringt.
Noch Fragen zur CSRD, Nachhaltigkeitsbericht, doppelter Wesentlichkeitsanalyse? Wenden Sie sich gerne an SAIM.
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