GHG Protocol: CO₂-Bilanzierung mit System
Wenn es um Ihre Klimabilanz geht, führt kaum ein Weg am GHG Protocol vorbei: Das Anfang der 2000er erstmalig veröffentlichte Rahmenwerk wurde über die Jahre sukzessive erweitert und hat sich mittlerweile zum am weitesten verbreiteten Standard für die Erstellung von Klimabilanzen entwickelt.
Eine Klimabilanz bildet den Startpunkt jedes wirksamen Klimaschutzvorhabens im Unternehmen. Sie macht die Treibhausgasemissionen (THG) transparent und zeigt, wo gezielt angesetzt werden kann, um Emissionen zu reduzieren. Oft auch Corporate Carbon Footprint (CCF) oder CO₂-Bilanz genannt, berechnet die Klimabilanz alle klimaschädlichen Emissionen, die durch die Geschäftstätigkeiten und die gesamte Wertschöpfungskette eines Unternehmens in einem Jahr entstehen.
Diese Emissionen werden in CO₂-Äquivalenten (CO₂e) ausgedrückt. Diese Maßeinheit macht den Effekt verschiedener Treibhausgase vergleichbar, indem sie für jedes Gas ein eigenes globales Erwärmungspotential (GWP) erfasst. Detailerklärungen dazu im Beitrag CO₂e: der Maßstab für das Treibhauspotential.
Am Ende geht es bei der CO₂-Bilanzierung um die Frage, welche Treibhausgasquellen für das Unternehmen relevant sind und in seine Klimabilanz einfließen sollen. Grundlage zur Formulierung der Antwort ist heute global das GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol), und das aus mehreren Gründen:
- Das GHG-Protocol ist anerkannt. Es wurde in enger Zusammenarbeit zwischen dem World Resources Institute (WRI) und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD) entwickelt. Es ist weltweit etabliert und wird von vielen Unternehmen genutzt, um Klimabilanzen zu erstellen.
- Es ist einheitlich. Das GHG Protocol definiert Kategorien und Regeln, nach denen die Emissionen aufgesplittet werden sollen, was eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zulässt. Allerdings sei hierbei erwähnt, dass das Rahmenwerk (bewusst) Raum für Interpretation bzw. Auslegung des Standards lässt, um möglichst allgemein anwendbar zu sein. Insofern muss beim Vergleich zweier Bilanzen aus zwei unterschiedlichen Quellen immer genau betrachtet werden, welche Annahmen der Berechnung zugrunde liegen und welche (operativen und organisatorischen) Systemgrenzen jeweils definiert wurden.
- Es ist ganzheitlich. Dank seines umfassenden Ansatzes erfasst das GHG Protocol nicht nur direkte, sondern auch indirekte Emissionen entlang der gesamten vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. So ermöglicht es eine vollständige Bestandsaufnahme der verursachten Emissionen und identifiziert Emissionstreiber.
- Es ist hilfreich. Mit seinen klaren Richtlinien hilft es Unternehmen, aber auch anderen Organisationen sowie auch Ländern, ihre Treibhausgase systematisch zu erfassen, sich auf zukünftige regulatorische Anforderungen vorzubereiten und diese entsprechend zu erfüllen.
Daher gilt das GHG-Protokoll als „Bilanz-Bibel“ der Emissionsberichterstattung und ist folglich unentbehrlich für die Entwicklung effektiver Klima- und Reduktionsstrategien, gerade im Kontext CSRD und ESRS.
Allerdings enthält das äußerst umfangreiche Greenhouse Gas Protocol mitunter auch (bewusste) Unschärfen und Grauzonen, weshalb es sinnvoll ist, jahrelange Erfahrung und branchenspezifisches Know-how einfließen zu lassen. Die Berater:innen von SAIM haben diese Erfahrung – kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne.
Das GHG Protocol und die Emissionen in Scopes 1, 2 und 3
Das GHG Protocol erfasst direkte und indirekte Treibhausgasemissionen und unterteilt diese in drei klar definierte Kategorien, sogenannte Scopes:
- Scope 1: Direkte Emissionen aus Quellen, die ein Unternehmen kontrolliert – etwa industrielle Verbrennungsprozesse oder der Betrieb von Fahrzeugflotten.
- Scope 2: Indirekte Emissionen durch eingekaufte Energie, beispielsweise Strom oder Wärme.
- Scope 3: Weitere indirekte Emissionen entlang der gesamten Lieferkette, darunter Geschäftsreisen und der Kauf von Waren und Dienstleistungen.
Diese systematische Gliederung hilft Unternehmen, ihre Emissionsquellen exakt zu identifizieren und gezielte Maßnahmen zur Reduktion zu entwickeln.
Gemäß GHG Protocol sind lediglich Scope 1+2 Emissionen verpflichtend zu erfassen, wenngleich sich natürlich die Frage stellt, wie aussagekräftig eine Teil-CO2-Bilanz wirklich sein kann.
Die CSRD hingegen geht hier einen Schritt weiter. Sie stellt umfassendere Anforderungen an Unternehmen, wonach diese ebenfalls die Scope-3-Emissionen anzugeben haben. Eine Ausnahme gibt es hier jedoch: Im ersten Berichtsjahr werden all jene Unternehmen verschont, die weniger als 750 Mitarbeiter:innen haben. Ab Jahr 2 müssen allerdings auch sie ihre Treibhausgasemissionen vollumfänglich berichten.
Details finden Sie hier:
GHG-Protokoll: Step by Step zur Emissionsberechnung
Das GHG Protocol bietet außerdem spezifische GHG-Standards für verschiedene Anwendungsbereiche und -Szenarien.
GHG Corporate Standard:
Mit dem Corporate Standard des GHG Protocol navigieren Unternehmen sicher durch die komplexe Welt der Treibhausgasemissionen. Er liefert eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, um sowohl direkte als auch indirekte Emissionen zu messen und zu reduzieren. Ebenso definiert er Leitlinien für die Bestimmung der organisatorischen und operativen Systemgrenzen, damit klar wird, welche Treibhausgasquellen miteinfließen müssen. Der GHG Corporate Standard ist weit verbreitet und wird von einer Vielzahl von Unternehmen weltweit branchenübergreifend genutzt, um Treibhausgasemissionen zu berechnen und transparent aufzuzeigen.
GHG Protocol Scope 2 Guidance:
Hierbei handelt es sich zwar nicht um einen Standard, sondern vielmehr um eine Anleitung, wie indirekte Treibhausgasemissionen aus eingekaufter Energie (Strom, Wärme, Dampf und Kühlung) zu bilanzieren sind. Er führt außerdem das Konzept der zwei Bilanzierungsansätze (dual reporting) ein: Den marktbasierten Ansatz (marked-based), der aus spezifischen Vertragsinformationen beruht (z.B. Bezug von Grünstrom), und den standortbasierten Ansatz (location-based), dem durchschnittliche Emissionsfaktoren des Stromnetzes des jeweiligen Landes zugrunde liegen.
Corporate Value Chain (Scope 3) Standard:
Dieser Standard konzentriert sich auf die Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens. Er ermöglicht es Organisationen, die oft komplexen und umfangreichen indirekten Emissionen zu identifizieren und zu quantifizieren, die außerhalb ihrer direkten Kontrolle liegen. Durch die detaillierte Analyse der Scope 3-Emissionen erhalten Unternehmen ein vollständiges Bild über die mit ihren Geschäftstätigkeiten in Verbindung stehenden und durch sie ausgelösten Treibhausgasemissionen. Das bildet die Grundlage für gezielte Maßnahmen und zudem auch die Möglichkeit, z.B. Lieferanten bei der Erreichung von Klimaschutzzielen mit in die Verantwortung zu nehmen.
Product Life Cycle Standard:
Der Product Life Cycle Standard hilft Unternehmen, die Klimaauswirkungen ihrer Produkte von der Wiege bis zur Bahre zu verstehen, indem die Treibhausgasemissionen entlang des gesamten Produktlebenszyklus berechnet werden. Dazu gehören alle Phasen von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Nutzung bis hin zur Entsorgung. Genau wie bei der CO2-Bilanz auf Unternehmensebene werden hier keine anderen Umweltaspekte wie z.B. Wasserverbrauch oder Schadstoffemissionen berücksichtigt. Dabei ermöglicht die Ermittlung der produktspezifischen Treibhausgasemissionen dem Unternehmen, seine Produkte im Sinne des Klimaschutzes stetig zu verbessern und sich damit auch von der Konkurrenz abzuheben.
Wenn Sie für Ihr Unternehmen Fragen zu Greenwashing, Green Claims, CSRD und zur Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie haben, wenden Sie sich gerne an uns.
Leitprinzipien des GHG Protocol
Für eine glaubwürdige und konsistente Berichterstattung verlangt das GHG Protocol die Einhaltung von fünf zentralen Prinzipien:
- Relevance (Relevanz):
Die Treibhausgasinventur per Greenhouse Gas Protocol muss die Emissionen (ggfs. auch die Entnahmen) des Unternehmens angemessen widerspiegeln und den Informationsbedarf interner sowie externer Entscheidungsträger:innen erfüllen. Das schließt zum Beispiel Emissionen aus Stromerzeugung und -verbrauch sowie alle indirekten Emissionen durch Rohstoffbeschaffung ein. - Completeness (Vollständigkeit):
Es müssen alle Treibhausgasemissionen (ggfs. auch die Removals) innerhalb der Inventurgrenzen erfasst werden, einschließlich aller relevanten Quellen, Senken und Aktivitäten. Das Greenhouse Gas Protocol erlaubt Ausnahmen – aber diese sind offenzulegen und zu begründen. - Consistency (Konsistenz):
Unternehmen müssen konsistente Methoden anwenden, um eine aussagekräftige Verfolgung der Emissions- (und Entnahme-) Leistung über die Zeit und im Vergleich zu anderen Unternehmen zu ermöglichen. Alle Änderungen an Daten, Inventurgrenzen, Methoden oder anderen relevanten Faktoren innerhalb der Zeitreihe müssen transparent dokumentiert werden. - Transparency (Transparenz):
Unternehmen müssen konsistente Methoden anwenden, um eine aussagekräftige Verfolgung der Emissionsentwicklung über die Zeit und im Vergleich zu anderen Unternehmen zu gewährleisten. Änderungen an Daten, Inventurgrenzen oder Methoden müssen laut GHG-Protokoll transparent dokumentiert werden. - Accuracy (Genauigkeit):
Unternehmen müssen auf präzise Messgeräte und genaue Datenquellen setzen, um sicherzustellen, dass die Quantifizierung der Treibhausgasemissionen (und -entnahmen, falls zutreffend) weder über noch unter den tatsächlichen Werten liegt und Unsicherheiten möglichst reduziert werden.
Keine der 5 Principles, aber wichtig ist auch die Conservativeness (Konservativität): Bei hoher Unsicherheit müssen Unternehmen „konservative“ Annahmen, Werte und Verfahren anwenden. Das GHG Protocol rät also, bei unsicheren Emissionswerten eher von einem höheren Wert auszugehen, um die tatsächlichen Emissionen nicht zu unterschätzen und sich somit im Zweifelsfall abzusichern.
Diese Prinzipien des GHG Protocol schaffen die Basis für eine transparente, zuverlässige und vergleichbare Klimaberichterstattung. Entscheidungstragende erhalten damit fundierte Einblicke in die Klimaleistung des Unternehmens und können durch die konsequente Anwendung sinnvolle und erreichbare Emissionsziele definieren und eine realistische Klimastrategie entwickeln.
Die Berater:innen von SAIM haben hierbei jahrelange Erfahrung in unterschiedlichen Industrien gesammelt – kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne.
Das GHG Protocol im Kontext CSRD und ESRS
Unternehmen sind heute mehr denn je gefordert, ihre Nachhaltigkeitsleistungen systematisch offenzulegen. Seit 2024 betrifft die CSRD-Richtlinie eine wachsende Zahl deutscher Unternehmen und macht auch eine umfassende Klimaberichterstattung zur Pflicht.
Dabei spielen in Sachen Emissionsbilanz folgende drei Rahmenwerke zusammen:
- Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) regelt, was der Nachhaltigkeitsbericht eines Unternehmens beinhalten soll. Im Zuge dessen existiert für fast alle Unternehmen eine Klima-Berichtspflicht. Details im Beitrag Nachhaltigkeitsberichterstattung: CSRD ist Herausforderung und Chance zugleich.
- Die Berichterstattung muss sich an den verbindlichen Standards orientieren, hier konkret die ESRS (European Sustainability Reporting Standards). Sie legen fest, welche Informationen der Nachhaltigkeitsbericht geben muss, in Sachen Klima und Treibhausgasemissionen konkret in der ESRS E1.
Das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) wiederum liefert eine weltweit etablierte Methodik, um diese Treibhausgasemissionen korrekt und methodisch zu berechnen und zu berichten – und das auf branchenübergreifend für eine Vielzahl von Unternehmen und Organisationen.
So kann das GHG Protocol zur Grundlage werden, um im Einklang mit CSRD und ESRS die Transparenz über Emissionen zu verbessern und die Basis für konkrete Reduktionsmaßnahmen zu schaffen, die dann auch sinnvoll kommunizierbar sind.
SAIM bedient mit seinen Expert:innen von der Klimabilanz bis zur Emissionsreduktionsstrategie hin zur Nachhaltigkeitskommunikation alle dafür notwendigen Bereiche – kontaktieren Sie uns, wir beraten Sie gerne.
Fazit: bauen Sie Ihre Klimabilanz auf dem GHG Protocol auf
Als Grundlage Ihrer CO2-Bilanzierung ist das GHG Protocol ein unverzichtbares Instrument sowohl für die Erfüllung der EU-Regulatorik als auch für den globalen Klimaschutz. Es bietet Unternehmen und Organisationen einen klaren Rahmen zur Messung und Verwaltung von Treibhausgasemissionen.
Die SAIM-Expert:innen arbeiten seit Jahren mit dem GHG Protocol und verfolgen aktiv dessen Weiterentwicklung sowie mögliche Alternativen und Ergänzungen.
Lassen Sie sich von SAIM beraten: Wir begleiten Sie durch die gesamte Klimabilanz oder durch Teile davon. Egal ob Sie gerade erst damit starten oder eine bestehende Bilanz verfeinern wollen. Ob es sich um ein komplexes Unternehmenskonstrukt handelt oder um ein diverses Produktportfolio.
Noch Fragen zur Klimabilanz, GHG Protocol, CSRD oder zum Nachhaltigkeitsbericht? Wenden Sie sich gerne an SAIM.
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